Schlingelschlangel durchs Planquadrat

Nachdem wir bei eisigem Wind nach 30 km endlich die kirgisische Grenze erreicht haben, durften wir schon zum zweiten Mal an diesem Tag Pannenhilfe spielen: Während wir an der Grenze auf die Zollbehörden gewartet haben, haben wir einen Lada der örtlichen Polizei wieder flott gemacht, indem wir einen seiner Reifen mit unsrem 12V Kompressor aufgepumpt haben. Die Zollbeamten waren danach super freundlich und wir haben den Zeitrekord im Zoll geschlagen und waren in null Komma nichts fertig.

Gleich hinter der Grenze erreichten wir dann vorbei an Jurten, Yak-, Kuh- und Pferdeherden den kleinen Ort Sary-Tasch. Sary-Tasch ist ein kleiner Ort vor der kirgisisch-tadschikischen Gebirgskulisse und an einem sonnigen Tag leuchtet der schneebedeckte Pik Lenin im Hintergrund neben zahlreichen seiner 7.000er Kollegen.

Eingekehrt sind wir im Gästehaus Muras, wo wir den Abend plaudernd mit einem deutschen MotorradfahrerInnen-Paar - Eva und Berndt- und einem indonesischen Rucksackreisenden - Hassan - verbracht haben.

Am nächsten Morgen haben wir dann Cookies Interieur in der kühlen aber aggressiven Gebirgssonne vom Pamirstaub befreit, der sich kiloweise in wirklich jeder Ritze festgesetzt hat. Gedauert hat diese Aktion an die drei Stunden, weil wir wirklich alles ausräumen und teilweise zerlegen mussten bevor wir es überhaupt putzen könnten. Der Staub im Inneren des Autos war aber nicht mehr auszuhalten und eine solche Sisyphusgrundreinigung unausweichlich. Außerdem mussten einige Ausrüstungsgegenstände durch die Belastungen des Pamir repariert bzw. teilweise sogar wieder zusammengesetzt werden. Unsere Ikea-Stauraumlösung im Kofferraum z.B. brauchte sogar Restaurationsfertigkeiten und ein halbes Kilo Klebeband, denn zwei Kisten waren nach dem Pamirgerüttel vollkommen zersplittert. Wir können nun mit gutem Gewissen bestätigen, dass Abstellraumkisten definitiv für eben genau das gebaut wurden und nicht für das Erklimmen von 4.000ern auf Dirtroads. Aber... there is nothing that Gaffatape und Geduld can't fix! Jippie!!

Danach sind wir in die Provinzstadt Osch im Westen des Landes gedüst. Betonung auf gedüst, denn die Straße dorthin war in einem dermaßen guten Zustand, dass wir nach Tajikistan trotz Unmengen an kirgisischen Beschränkungen und dem dazugehörigen Schilderchaos recht flott unterwegs waren. Unterwegs sind wir wieder an einer Menge Jurten und Herden an Kühen und einer Mengen an wilden Pferden vorbeigefahren. Zu sehen hat es viel beschauliches süd-kirgisisches Landleben gegeben. Stetig haben wir auch Seehöhe abgebaut. Der Süden Kirgisistans war richtig nett.

Nachdem wir dann am Nachmittag in Osch angekommen sind und Cookie unter der Weinlaube unserer Herberge geparkt haben, sind wir gleich losgezogen, um ein wenig die Stadt zu erkunden. Bevor wir uns ein Abendessen (Beschbarmak und Hechtfilet - was für eine Kombi) und ein paar Bier gegönnt haben, sind uns ein paar Sachen ins Auge gestochen: Erstens ist Kirgisistan noch recht sowjetisch. Viele Gebäude sind noch aus dieser Zeit und immer wieder trifft man auf Monumente oder Beschilderungen, die sicher vor den 1990ern entstanden sind. insgesamt war diese Affinität viel auffallender als in den Ländern, die wir bis jetzt bereist haben. Außerdem lieben KirgisInnen offenbar große, pompöse Hochzeiten. Wer nicht, werdet werdet ihr jetzt sicher denken, aber wir versichern euch, dass ihr so große Hochzeitslimousinen noch nicht gesehen habt. Teilweise sind die neben der übertriebenen Länge sogar zweistöckig. Naja, wer's mag. Drittens ist das für jede ex-sowjetische Stadt obligatorischen Lenin-Denkmal in Osch so richtig groß. Darunter fühlt man sich wirklich sehr klein.

Spätabends haben wir uns nach der Erkundungstour dann ein Taxi zurück genommen. Der Fahrer war gar nicht begeistert, dass er sein dickes Auto durch die engen Gassen des muslimischen Viertels Zwängen musste, um uns zu unserer Unterkunft zu bringen. Letzten Endes hat er es aber trotzdem hinbekommen und wir haben den restlichen Abend noch damit verbracht, einer chilenischen Motorradfahrerin - Natalia - dabei zu helfen, ihr Motorrad wieder flott zu kriegen.

Nach einem guten Frühstück sind wir dann weiter Richtung Hauptstadt Bishkek im Norden aufgebrochen. Obwohl die Luftlinien-Entfernung nach Bishkek nur etwa 350 km beträgt, waren wegen der unvorteilhaften Streckenführung 680 km zu bewältigen. Mit den vielen Geschwindigkeitsbegrenzungen, deren Anfang zwar überall gut beschildert ist, man das Ende jedoch bestenfalls erahnen kann, haben wir uns durch dermaßen viele Polizeikontrollen manövriert, dass wir nach einiger Zeit aufgehört haben mitzuzählen. Wir haben uns ein bisschen wie ein kleiner Fisch im Haifischbecken gefühlt, vor allem weil es der kirgisischen Polizei weniger um effektive Kontrolle oder gar um Verkehrsberuhigung zu gehen scheint, sondern jeder Autofahrer lediglich als potentielle Cash-Cow gesehen wird. Ein bisschen Ader lassen mussten wir in dem landesweiten Planquadrat auch, wir könnten uns aber aus einer größeren Strafe herausreden. Nachdem wir aufgehalten wurden, weil wir kein Licht am Tag anhatten (in Tajikistan war das noch verboten, alles sehr verwirrend, wenn man soviel Länder hintereinander bereist), wollte die Polizei 5.000 Somony von uns. Davon gekommen sind wir dann mit 30 Dollar und 5 turkmenischen Manat. Die Ironie an dieser ganzen Geschichte ist, dass wir im ganzen Land kein einziges Polizeiauto mit eingeschaltetem Licht gesehen haben!

Im Schlingelschlangelkurs sind wir nach dem Kennenlernen der kirgisischen Polizei und ihrer Methoden immer weiter Richtung Bishkek getuckert. Da die Geschwindigkeitsbegrenzungen im Land ja nicht wirklich was hergeben, haben wir für den Zickzackkurs echt lange gebraucht, weshalb wir Zeit genug hatten einen polnischen Rucksackreisenden ein paar Kilometer lang mitzunehmen. Leider mussten wir ihn recht bald in einem Dorf wieder seinem Anhalterglück überlassen, da wir festgestellt haben, dass unser rechter Hinterreifen auf unerklärliche Weise am Radkasten zu schleifen begonnen hat und wir mit unserem Polen am Jump-Seat nun wirklich zu schwer waren.

Ohne lange zu rumzuhacken, haben wir uns kurzerhand entschlossen, das Problem gleich am Straßenrand in die Hand zu nehmen, bevor uns der Reifen noch verreibt. Als wir so am Straßenrand gestanden sind und wie die Bösen Cookies rechten hinteren Radkasten mit unserem Hammer vergrößert haben, sind doch wirklich unsere alten norditalienischen Rallykollegen Tobia und Andrea mit ihrem alten Fiat 127 vorbeigekommen und haben uns gleich tatkräftig unterstützt. Nachdem wir Cookie zu Viert durchs ausbeulen dann um etliche Zentimeter verbreitert hatten (nur rechts hinten wohlgemerkt), sind wir dann gemeinsam weiter Richtung Norden in die Nacht hinein gefahren. Falls Cookies Kastenform noch irgendwas an Aerodynamik hergegeben hat, war diese durch die Beule rechts hinten nun wohl nicht mehr zu retten.

Wir wollten an diesem Tag beide soweit es ging in die Nähe von Bishkek kommen, um am nächsten Morgen so früh als möglich über drei kasachische Grenze zu kommen. Bishkek anzusehen, mussten wir nach Dushanbe leider auch auslassen. Den Zeitdruck, der durch das kaputte Differential zu Beginn der Rally entstanden ist, musste nun durch solche harten Entscheidungen abgefedert werden,um halbwegs in der geplanten Zeit ins Ziel zu kommen. Da das bei Andrea und Tobia ähnlich war und sie auch auf schnellstem Weg nach Almaty kommen wollten, waren sie für uns und wir für sie die idealen Konvoipartner.

 

Nach anstrengenden Stunden Nachtfahrt (bei den Straßenverhältnissen und dem Verkehr hier sind Nachtfahrten immer anstrengend und obwohl wir sie meiden, stolpern wir aus Notwendigkeit immer wieder rein), haben wir dann gegen 23.30 Uhr über Serpentinen den Töö-Pass im Kirgisischen Gebirge südlich des Ortes Karabalta erreicht. Der Pass war vielleicht wild - mein lieber Schwan. Hunderte LKWs, die Abgase rausblasen, dass man durch eine schwarze Wolke durchschneiden muss, wollen auch über den Pass. Der Tunnel am höchsten Punkt (3.100 m) ist nicht nur deshalb wild, weil er schlecht beleuchtet und eineinhalbspurig ist, sondern auch weil es aus beiden Portalen von den ganzen rußigen Abgasen richtig rausdampft. Schlechte Sicht, Abgase, Fernlichter der LKWs ... all das zusammen macht das Serpentinenfahren um Mitternacht zu einer wahren Freude.

 

Etwas kaputt sind wir dann ab Mitternacht in Karabalta auf Hotelsuche gegangen und dabei wenig erfolgreich gewesen. Dem nicht genug. Die Stadt zu später Stunde kennenzulernen, war alleine eine sehr eigentümliche Erfahrung. Einerseits waren so viele Betrunkene unterwegs und andererseits haben wir die Bekanntschaft mit einem aggressiven Mercedesfahrer machen müssen, dem unser Kreisverkehrverhalten nicht in den Kragen gepasst hat. Das hat er zu verstehen gegeben, indem er die Straße vor uns blockiert und mit wilden hin- und herkurven versucht hat, uns zum Stoppen zu bringen, was ihm letztendlich gelungen ist. Dann ist unser kleiner pubertierender Kirgise aus seinem großen Auto rausgeklettert und hat mit einer Hand wild auf unser Auto eingehauen während er sich mit der anderen fest bei seinem Gemächt angehalten hat. Tja, was soll man sagen... wir haben nur so gschaut. Die ganze Situation hat sich aber dann aufgelöst, als er gemerkt hat, dass wir kein Interesse an ihm oder seine ausbordenden Komplexen hatten.

 

Wie bereits erwähnt, waren wir bei der Unterkunftssuche ja wenig erfolgreich, weshalb wir beschlossen haben noch ein kleines Stück aus der Stadt raus, weiter Richtung Osten - Bishkek - zu fahren und uns einen halbwegs ruhigen Autoschlafplatz zu suchen. Gesagt getan.

Vierzig Kilometer östlich von Karabalta sind wir hinter einer prächtigen Tankstelle fündig geworden und kaum haben wir unsere beiden Autos zum Schlafen hergerichtet gehabt, sind wir auch schon weggepfiffen. Mittlerweile war es ja auch schon halb vier Uhr morgens.

Geweckt sind wir dann vom Tankstellenwart um halb neun Uhr morgens, nachdem wir alle vier den Wecker um sieben Uhr nicht mal wahrgenommen haben, so abgefeuert waren wir. Frisch fröhlich sind wir nach der Morgentoilette zwischen den tankenden Kunden dann zur Grenze aufgebrochen, die wir ohne große Vorkommnisse zügig erreicht haben. Lediglich unsere beiden Italiener wurden 100 m vor der Grenzkontrolle nochmal aufgehalten, weil sie ihr Auto beim Stoppschild nicht zum Nicken gebracht haben. Auf dieses spezielle Wippen (= Nicken) stehen zentralasiatische Polizisten ungemein. Dabei scheint es vollkommen unerheblich, ob man das Fahrzeug aus 100 oder 10 km/h zum Stillstand bringt. Das Auto sollte nur ja einmal sichtbar Nicken und genau das haben Andrea und Tobia nicht gemacht. Was folgte war ein Pfeif- und Schreikonzert der Polizei, das uns alle zum Stillstand gebracht hat. Alleine ist uns da schon in Usbekistan passiert, dort allerdings nach langer Diskussion allerdings ohne Folgen. Nicht so bei den Italienern, die sich aber auch wacker geschlagen haben: wollte der Polizeibeamte zuerst noch "alles, was sie an Bargeld bei sich haben", gab er sich nach kurzem Hin- und Her auch mit nur sieben US Dollar zufrieden.

 

So sind wir letztendlich alle - wenn auch etwas geschlaucht - glücklich und zufrieden über die kasachische Grenze gerollt. Kirgisistan war für uns leider mehr ein Durchfahrland, obwohl es abseits der Hauptverkehrsroute einiges zu sehen gegeben hätte. Der Süden hat es uns besonders angetan und im Sommer ist er für Trekkingtouren sicherlich eine Reise wert. Im Winter klettern die Temperaturen dort aber selten auf über -20 Grad Celsius. Das Leben dort muss unglaublich hart sein, alleine im Hochsommer war es alleine mit einem T-Shirt in der Mittagssonne recht frisch. Auch das Kirgisische Gebirge ist sehenswert mit seinen Pässen und Bergen. Lediglich das Flachland im Norden würden wir uns bei einer zweiten Reise dorthin sparen.

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Kommentare: 3
  • #1

    Papa (Sonntag, 27 August 2017 00:20)

    geniale berichte wow

  • #2

    Michael (Sonntag, 27 August 2017 04:54)

    Sensationell! Viel Spaß noch und alles Gute!

  • #3

    Flo (Montag, 28 August 2017 07:48)

    Ist ja genial, dieses hier möchte ich unbedingt dann als Hintergrundbild:
    https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=1920x400:format=jpg/path/s4889333b404812fd/image/i5a67f6bde2869b20/version/1503776958/image.jpg
    wenn geht in Originalgröße :-)