Alle Wege führen in den Pamir

Endlich war es soweit, wir haben uns nach einem ganz kurzen Zwischenstopp in Dushanbe ins Pamir Gebirge aufgemacht. Ein bisschen hat sich nervöse Vorfreude auf den Pamir bei uns schon bemerkbar gemacht, weil wir über die letzten Monate fast alles am rauen Pamir mit seinen Offroad-Pisten gemessen haben. Jedesmal wenn wir von Offroad gesprochen haben, haben wir damit indirekt den Pamir gemeint. Über die langen Vorbereitungsmonate hat sich da schon einiges an Respekt angesammelt. Es war nun allerhöchste Zeit, diesem angestauten Respekt einem Realitäts-Check zu unterziehen.

Selbstüberschätzung in Dushanbe

Unser letzter Zwischenstopp vor der mehrtägigen Gebirgsetappe über 4.000 m hohe Pässe war in der tadschikischen Hauptstadt Dushanbe. Da wir etwas Zeit für den Pamir gewinnen wollten, haben wir uns dafür entschieden, nicht länger in der Stadt zu bleiben und lediglich eine - aus unserer Sicht - halbwegs repräsentative Sehenswürdigkeit zu besichtigen: den Flaggenmast vorm Palast der Nationen.

Dieser schreit vor Selbstüberschätzung und kann sich ungeachtet in die Reihe zentralasiatischer Repräsentationskolosse einfügen. Mit seinen stolzen 165 Metern Höhe war er noch bis vor Kurzem der höchste Flaggenmast der Welt und wurde erst 2014 von einem saudi-arabischen Mast um fünf Meter übertrumpft. Nichtsdestotrotz ist der Mast wegen seiner Überdimensioniertheit (die Fahne alleine hat patriotische 60x30 Meter) sehr sehenswert, obwohl nach Ashgabat alles - sogar dieser Flaggenmast - noch immer etwas beschaulich wirkt.

 

Immerhin haben wir in der kurzen Zeit in Dushanbe auch den Kontakt mit den Tadschiken nicht gescheut und uns gleich mal unter die Bevölkerung gemischt. Kaum angekommen, haben wir uns in einem Supermarkt was zum Essen und nach der langen Autofahrt aus Samarkand auch ein paar Bier gekauft. Wenig schüchtern hat Lukas sich das Bier im Laden beim Armdrücken mit dem Ladenbesitzer verdienen wollen. Leider war das nicht so erfolgreich und das Bier musste dann am Ende doppelt bezahlt werden, was bei den tadschikischen Bierpreisen aber kein Drama ist. Das doppelt bezahlte Bier hat dann klarerweise ja auch doppelt so gut getan und wir sind am Dachboden unseres Hostels (leider wurde unsre Buchung verschlampt) gut eingeschlafen. Und lustig wars obendrein.

Das schönste Stück Straße in ganz Zentralasien

So leid es uns auch getan hat Dushanbe nahezu unerforscht hinter uns zu lassen, haben wir uns am 13. August in Richtung südliches Tajikistan aufgemacht. Entgegen unserer ursprünglichen Routenplanung sind wir einem Tipp von Leuten aus dem Hostel in Dushanbe gefolgt und über Danghara und Kulob schon früher zum Korridor im Pandsch-Tal entlang der afghanischen Grenze gekommen.

Die Landschaft bis dahin war richtig durchwachsen für uns. Vom imposanten Nurek Reservoir, dessen blau in der kargen Landschaft eine Genugtuung für die Augen ist, bis zur einschläfernden tadschikischen Steppe im Süden, hält die Strecke alles bereit.

Bevor wir in das Pandsch-Tal abgetaucht sind, haben wir einen massiven Konvoi an Allschutzfahrzeugen der tadschikischen Armee passiert, die entlang der Grenze zu Afghanistan patrouillieren. Wir dachten, dass uns solche Sicherheitsmaßnahmen nun ständig begleiten werden, allerdings war es das einzige Mal am ganzen Pamir, das wir so etwas gesehen haben. Ohne etwas vorwegnehmen zu wollen, muss man sagen, dass wir entlang des Pandsch-Tales generell unglaublich wenige Menschen getroffen haben.

Obwohl die Straße über Kolub etwas länger ist als die Route im Norden, die wir eigentlich nehmen wollten, ist ihr letzter Teil unter den tadschikischen Straßen ein wahres Juwel: kaum passiert man den letzten Checkpoint vor dem Korridor zu Afghanistan, kommt man auf eine nigelnagelneue, gut ausgebaute Straße mit Flüsterasphalt. Dieses Wunderwerk der Ingenieurskunst liegt einfach so da. Einfach so! Wie wir uns nach der Rumpelei der letzten Tage gefreut haben, auf einer solche Straße dahinzugleiten!

So haben wir dann doch tatsächlich an die 100km in nahezu eineinhalb Stunden zurückgelegt. Das mag sich für europäische Verhältnisse komisch anhören, aber wenn man einer Straße halbwegs vertrauen kann und kontinuierlich seine 70-80 km/h fahren kann, ist das für uns mittlerweile ein echtes Highlight. Die letzten 25 km bis Kalai-Chum waren dann wieder gute alte tadschikische Rumpelpiste.

 

Aber nicht alleine die Tatsache, dass ein Teil der Straße entlang der Route so gut ausgebaut ist, macht sie so besonders. Von Shuro-Obod kommend beginnt sich eine Bergwelt zu erstrecken, die so ziemlich alles in den Schatten stellt, was wir bisher gesehen haben. Die Bergwelt dort ist steiler, schroffer, imposanter und höher als wir uns vorstellen hätten können. Wir könnten wirklich nichts anderes tun, als diese imposante Kulisse mit einem staunenden, offenen Mund zu bewundern. Da wir erst am späten Abend in dieses Gegend gekommen sind, haben wir die vielen Gipfel gleich in einem schön weichen, stimmungsvollen Licht kennengelernt. Das war gleich nochmal beeindruckender.

 

Eine weitere Überraschung, die die Route für uns bereitgehalten hat war Julia, eine Autostopperin aus der Ukraine, die ganz einsam und verlassen versucht hat entlang der Schlingelschlangel-Serpentinen eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern. Man muss dazu sagen, dass die Straße dort dermaßen schwach befahren ist, dass Autostoppen dort eine richtige Herausforderung ist. Wenn alle 15 Minuten ein Auto oder ein LKW vorbeifährt, hat man richtig Glück. Später an der M41, dem Pamir Highway, wird die Verkehrsfrequenz dann etwas höher, wenn auch nicht viel. Am Ende ist die Bergwelt Tajikistans einfach sehr wenig befahrenen und die Hauptbenutzerinnen der Straßen und Pisten sind sicherlich Kühe, nicht Autos. Julia könnten wir unter diesen Umständen einfach nicht am Straßenrand stehen lassen, auch wenn die Verbindung Rumpelpiste und famoses Wolschwenger-Einbaumöbel bei Ihr für die ein oder andere Beule gesorgt hat.

Wie dem auch sei, Julia war heilfroh eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern und wir haben uns gefreut in unserem 15. Land Cookie kurzzeitig mal mit einer dritten Person zu teilen. Da Julia fließend russisch spricht, könnten wir dann in Kalai-Chum auch sehr schnell eine günstige Unterkunft bei einer netten tadschikischen Familie finden. Dort haben wir erst mal gekocht. Dabei hat Lukas von einer tadschikischen Hausfrau eine Lektion in Kochen in einer spartanischen Küche bekommen und sie von ihm eine Lektion im Pasta machen. Nach einer Dusche mit direktem Gebirgswasseranschluss per Gartenschlauch haben wir uns dann in unsere Schlafsäcke am Wohnzimmerboden gelegt. Wir haben richtig gut geschlafen.

Aller Anfang ist schwer

Da wir am Vorabend erst spätabends in Kalai-Chum angekommen sind, haben wir erst am nächsten Morgen die Bergkulisse gesehen, die uns umgeben hat. In der Nacht verborgen, haben wir uns also bei Sonnenschein inmitten von steilen Felswänden in einem schmalen Tal zwischen Tajikistan und Afghanistan wiedergefunden. Cookie, die die Nacht vor der Tür verbracht hat, hat sich am Morgen indessen inmitten von (gezählten) 13 neugierigen Kindern aus dem Dorf wiedergefunden. Es hat etwas gedauert, bis wir sie von den Kindern losreißen könnten und wieder on the road waren.

 

Mit Julia gemeinsam haben wir uns dann auf den Weg nach Chorogh, der Hauptstadt der autonomen Provinz Berg-Badachschan, gemacht. Die Route führt weiter entlang des Grenzflusses Pandsch, der die meiste Zeit ein reißender, wilder Strom ist. Die Straße selbst ist richtig schlecht - kein Vergleich zu bisherigen Erfahrungen. Selbst die schlechten Straßenverhältnissen in Usbekistan waren nichts gegen diesen ersten ruppigen Teil des legendären Pamir Highways. Während die Straßen in Usbekistan zumindest noch als solche bezeichnet werden können, sind es ab Kalai-Chum nur mehr schwindelige und brüchige Trassen. Kurz gesagt, es sind richtige Offroadpisten. Aber hier ist man ja immerhin auch am legendären Pamir Highway und man kann man froh sein, überhaupt eine befahrbare Straße unter den Reifen zu haben.

 

Die 236 km nach Chorogh haben wir an dem Tag in sage und schreibe 12 Stunden Nettofahrzeit zurückgelegt. Schneller lassen es die Verhältnisse nicht zu. Die Etappe war gesäumt von überhängenden Felsen, Sand und Schotter, in den blanken Fels gehauenen Trassen, tiefen Schluchten, einer schier unüberschaubaren Zahl an Schlaglöchern und einer halbwegs beträchtlichen Menge an LKW und Geländewagenverkehr. Zudem scheint das Konzept einer Leitplanke den tadschikischen Straßenbauern vollkommen fremd zu sein. Uns würde es nicht wundern, wenn es das Wort dafür auf tadschikisch gar nicht gibt. Gerade die LKWs, die ihre Waren über diesen Teil der Seidenstraße von China nach Zentralasien und Europa bringen, machen die Piste streckenweise zur Herausforderung. Kompensiert werden die Herausforderungen aber mehr als genug durch das enge und schluchtenreiche Pandsch-Tal. Es ist so eindrucksvoll, dass es fast eine Strafe ist hinter dem Lenkrad sitzen und sich auf die Straße konzentrieren zu müssen.

 

Nachdem wir eine Einladung von Polizisten hinter ihrem Checkpoint unser Zelt aufzuschlagen aufschlagen mussten, sind wir am Abend in Chorogh eingefahren. Die Stadt hat, obwohl sie sehr klein ist (ca. 30.000 EinwohnerInnen), irgendwie einen coolen Flair. Alles und jeder dort hat irgendein Ziel und es wimmelt nur so von Fernfahrern und Geländewagen, Radtour- und MotorradfahrerInnen. Und sie alle machen entweder Besorgungen für eine anstehende beschwerliche Reise über das Hochgebirge oder Erholen sich gerade von einer solchen bevor es wieder weitergeht.

 

Das ominöse Pamir Hochgebirge selbst zählt zum Dach der Welt und hat eine Fläche von etwa 120.000 km², wovon ca. 12.500 km² vergletschert sind. Mit einer mittleren Höhe von etwa 3600 bis 4400 m ist er der neben dem Himalaya das zweithöchste Gebirge der Welt. Sein höchster Gipfel, der Kongur, ist 7649 m hoch. Sein zwanzigst höchster Gipfel ist noch immer stolze 5704 m hoch (welche Ausmaße!!). Der Pamir ist wirklich extrem massiv und eine Herausforderung für Mensch und Maschine.

Und mitten drinnen ein kleiner Suzuki Wagon R+, der bis vor kurzem die Berge des Dachsteingebirges für hoch gehalten hat (so wie auch seine Insassen... nebenbei bemerkt).

Schanigarten an der afghanischen Grenze

Am Morgen haben wir uns am nächsten Tag munter in das Getümmel Chorogh's gestürzt und auf die Suche nach neuen Vorräten gemacht. Wir mussten Benzin, Bargeld, Wasser und Essensvorräte aufstocken. Wir haben in den Tagen zuvor quasi alles geleert. Auch wenn Chorogh als Stadt genau genommen den Sinn eines Nachschublagers erfüllt, sind wir dennoch nicht vor Nachmittag fertig geworden und so erst in der Nachmittagssonne - wieder zu zweit ohne Julia - weiter Richtung Süden aufgebrochen.

 

Da die Straßenverhältnisse aber beträchtlich besser waren als am Vortag, sind wir recht flott dahingerollt und haben in der Abendsonne das Dorf Ishkashim erreicht. Am Weg dorthin haben wir einen Einheimischen, dessen Auto wegen eines Keilriemenrisses liegen geblieben ist, bis ins Dorf mitgenommen. Er ist ganz still auf der Rückbank gesessen und hat sich gar nichts sagen getraut. Ob er nur verlegen war, weil die mächtige Cookie oder unser Fahrstil ihn eingeschüchtert hat, lies sich nicht mehr ausmachen, so schnell ist er im Getümmel der Dorfstraße verschwunden gewesen.

 

Am Weg nach Ishkashim haben wir übrigens eine ganz interessante Erfahrung an einem gemischten Polizei-/Militärcheckpoint gemacht. Irgendwo auf halben Weg sind wir wieder mal routinemäßig kontrolliert worden - wie schon so oft davor. Und wie immer waren die Beamten mehr an unsrem Auto als an unsren Dokumenten interessiert. Sie haben also alles angeschaut und bewundert und dabei eben auch unsere wertvolle Ouzoflasche im Kofferraum gefunden. Der dicke Postenkommandant hat sie dann kurzerhand mit uns im Schlepptau wie eine Trophäe in den Hinterraum seines Häuschens getragen. Dort sind auf Matratzen Soldaten mit ihrer Kalashnikov gelegen und haben vor sich hingedöst. Der Postenkommandant hat sich dann gleich mal einen halben Liter der edlen griechischen Spirituose in sein Heferl eingeschenkt und es in einem Zug geleert. Wir haben nur so geschaut. Nachdem er sich dann nochmal kräftig nachgeschenkt hat, haben wir und ein paar der Soldaten auch mittrinken müssen und in ca. vier Minuten war der Ouzo Geschichte. Ziemlich beduselt haben wir uns dann mit dem Segen der gesamten Belegschaft wieder ins Auto gesetzt und sind weitergefahren.

 

In Ishkashim haben wir dann abends unser Zelt aufgeschlagen. Nachdem wir am Gaskocher gekocht und fürstlich gespeist hatten, haben wir in einer Gruppe Motorradfahrer einen Wiener ausgemacht. Der Wiener, hat sich dann recht schnell als burgenländischer Wahlwiener namens Andi entpuppt und wir haben mit ihm noch bis in die Nacht hinein ein paar Bier getrunken. Andi ist ein passionierter Motorradtourenfahrer, der in den letzten vor Jahren u.a. Touren durch Afrika und Südamerika gemacht hat. Wir haben uns alle drei gefreut, dass wir uns im Süden Tajikistans an der afghanischen Grenze zum Geschichten austaschen gefunden haben. Eine super Begegnung im Hinterhof des Hindukusch.

 

Zuhause ist dann doch oft näher als man denkt.

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Kommentare: 4
  • #1

    Marisa (Montag, 21 August 2017 02:21)

    Unglaublich schöne Bilder - sieht wirklich sehr eindrücklich aus! :) gute fahrt noch!

  • #2

    Kinga (Montag, 21 August 2017 04:54)

    Wunderschöne Landschaft! Und das mit dem Ouzo im Hinterkammerl ist der Hit!

  • #3

    Suzie (Montag, 21 August 2017 07:14)

    Na servas, meinen größten Respekt an euch 2 :-)

  • #4

    Stephan (Montag, 21 August 2017 11:24)

    Super Bericht und eure Strafen köstlich