Usbekistan: einfach zum Abheben

Cookie hat ihren ersten Flug hinter sich! Am 10. August um 12.30 hat unser Auto im usbekischen Qorakoʻl ein kurze Distanz in der Luft zurückgelegt, nachdem wir mit vollem Karacho in ein unsichtbares Loch in der Straße rein gefahren und raus gesprungen sind. Die ganz gefährlichen sieht man wirklich einfach nicht. Passiert ist nix, aber uns hat's gehörig durchgerüttelt und Cookie hat ihre innere Schutzverkleidung rechts vorne verloren (ist bei uns vorbeigeflogen). Verloren haben wir sie ja eigentlich nicht, um ehrlich zu sein. Ein total entspannter Usbeke ist uns gleich mit unserem Teil nachgerannt gekommen. Der sieht sowas offenbar öfters.

...ja, so reduzieren wir nach und nach Gewicht...

Was wir damit sagen wollen: Usbekistan ist das Land der furchtbaren Straßenverhältnisse. Auch der imposanten antiken Bauten Zentralasiens (wie dem Registan), ja das stimmt schon, aber die Ausmaße der schlechten Straßen prägen sich dann doch mit einem gewissen rüttelnden Nachdruck ins Gedächtnis ein. Vor allem, weil die Fahrer (ja, es sind wirklich ausschließlich Männer) wie richtig irre fahren. Nach den Luxemburgern und Georgiern sind sie die schlimmsten Autofahrer, mit denen wir bis jetzt unsere Straßen teilen mussten. Nicht genug das man alleine höllisch auf die Fahrbahn achten muss, um unser Auto nicht zu schreddern, hier muss man gleichzeitig auch noch aufpassen, dass einem niemand reinfährt, weil die Usbeken scheren sich da herzlich wenig drum.

Die grandiosen Bauwerke bringen einen dafür zum Staunen, weshalb wir unsere Tagesetappe von Turkmenabat bis Samarkand über Bukhara (Buxoro) so angelegt haben, dass es sich ausgeht, in der Stadt die Zitadelle Ark und die Kalon Moschee mit dem Kalon-Minarett und der Mir-Arab-Madrasa zu besichtigen. Gerade der Poi Kalon Komplex war sehr beeindruckend und weil die Stadt relativ ruhig ist, Herbst gerade in den Innenhöfen und Gängen dieser historischen Bauwerke entspannende Ruhe. Bis auf moderat große Reisegruppen und ein paar vereinzelte Individualtouristen waren nicht viele Touristen zu sehen. Ein krasser Gegensatz zu den wuselig-wilden Straßen außerhalb der alten Mauern.
Obwohl die Zitadelle Ark als geschichtsträchtiges Bauwerk in Bukhara auch einen entsprechenden architektonischen Wert hat, kann sie mit den islamischen Bauwerken in der Stadt nur schwer mithalten. Dafür hat beherbergt sie aber ein gut aufbereitetes Museum mit hochinteressanten Sammlungen zur Stadtgeschichte. Der Ort kann nicht besser gewählt sein, war die Zitadelle doch der Sitz der Khane und Emire von Bukhara. Vor lauter Geschichtsträchtigkeit wurde Flo von einem Guide dort wegen seinem Bart mit Karl Marx verglichen. Uns (Flo ganz besonders) hat das ein genügsames Lächeln auf die Lippen gezaubert. Marx in Bukhara!

Weil wir in Bukhara auch noch die Zeit genutzt haben um durch die schattigen, engen Gässchen zu schlendern, haben wir es leider nicht mehr im Tageslicht bis Samarkand geschafft. Das war sehr mühsam, weil wenn es eins gibt, was den Verkehr und die Straßenverhältnisse in Usbekistan verschlimmert, dann ist es wohl die Dunkelheit. Deshalb sind wir wirklich froh, dass wir unser Rallylicht am Dach haben. es macht wirklich den Unterschied wenn's drauf ankommt.

Und dann Samarkand! Was für eine schöne Stadt! Und was für imposante Bauwerke! Abseits des ganzen Chaos der verrückten Straßen kann man dort in die zentralasiatische Geschichte eintauchen und neben Staub und Rumpelpiste abschalten. Das prächtige Registan Ensemble, das Herz des antiken Zentralasiens - wohl einem der bedeutendsten Plätze in der Region - besteht aus so vielen schiefen Einzelbauwerken, die alle an den Himmel und die Samarkander Geräuschkulisse angelehnt scheinen, dass man seine eigene Perspektive gehörig zurechtrücken muss: war die Region bis vor Kurzem noch ein schwarzer Fleck auf der Landkarte lernt man spätestens, wenn man im Registan steht, dass sie eigentlich voller bunter Mosaike ist. Allein die Erkenntnis, dass Timur Leng am Ende des 14. Jahrhunderts sein Weltreich von Samarkand aus gelenkt hat, ist eine Reise wert: gerade deshalb, weil man dazu sein pompöses Mausoleum besuchen muss.

Natürlich haben wir auch das Nationalgericht Plov probiert. Auch wenn es wenig kreativ scheint (es ist wirklich keine Hexerei) staunt man doch über die herzliche Inbrunst, mit der die UsbekInnen ihr Nationalgericht anpreisen. Die wesentliche Zutat scheint neben Reis also liebevolle Zubereitung zu sein und - Hand aufs Herz- das macht doch jedes Gericht unwiderstehlich. Wir habens auf jeden Fall genossen. Genauso wie alle anderen usbekischen Gerichte in den letzten paar Tagen.

Ein besonderes Highlight in Samarkand für uns haben wir aber abseits der wenig ausgelatschten Touristenpfade gefunden: den Friseurladen Gold King, wo sich Flo seinen Bart stützen und Lukas seine Haare schneiden hat lassen. Ein Friseurbesuch in einem fremden Land ist jeden wirklich ans Herz zu legen - man erlebt immer was besonderes. So auch diesmal. Was wir nicht gewusst haben, ist, dass der 1 Euro Haarschnitt am Ende eine ganz kurze Massage inkludiert, bei der sie einem alle Knochen und Knorpel von Hals bis Haarspitze knacken lassen. Dafür wenden Sie Kniffe und Griffe an, die wir noch nie gesehen haben. Haha, was für ein Erlebnis. Ganz, ganz kurz haben wir nicht gewusst, wohin das führt, wurden dann aber mit einem kräftigen Handschlag wieder in die Freiheit entlassen. Herrlich! ...diese Usbeken sind einfach ein wildes Völkchen...

Zentralasiatische Steppe: Ausreise entlang der Südroute

Weil die nahe Grenze zu Tajikistan östlich von Samarkand wegen Spannungen zwischen den zwei Staaten (keine anderen Länder in der Region haben schlechtere Beziehung zueinander als Usbekistan und Tajikistan) geschlossen ist, blieb uns nichts andres übrig als den Grenzposten entweder über Norden oder Süden zu umfahren. Wir haben uns für die 400km lange südliche Umfahrung über die Berge entschieden. Nach den absolut furchtbaren Straßenverhältnissen, auf denen wir nach Samarkand gekommen sind, waren sie nun für diese Etappe etwas besser. Außerdem kommt dazu, dass wir uns mittlerweile ein bisserl mehr an die schlechten Verhältnisse gewöhnt haben und damit einfach besser zurechtkommen.
Ein interessantes Detail am Rande ist, dass die Usbeken ihre Fahrzeuge fast ausschließlich mit Propan oder Methan betreiben, was wiederum bedeutet, dass ein anderer Kraftstoff wie Benzin oder Diesel an den Tankstellen eigentlich gar nicht existiert. Benzin kann man in Hinterhöfen und am Straßenrand am Schwarzmarkt kaufen und hat meist eine extrem schlechte Qualität. Weil wir sicher gehen wollten, dass wir unseren Motor nicht ruinieren haben wir bereits in Turkmenistan vorgesorgt und alles vollgetankt - Tank und Kanister. Der volle Tank und eine Kanisterbetanktung am Straßenrand haben uns dann auch wirklich ohne Schwarzmarkttankstellen durch Usbekistan gebracht. Unsere zwei Kanister am Dach sind übrigens ausgemustertes Bundesheergerät (danke Ossi fürs besorgen!) und einer davon stammt doch wirklich aus dem Jahr 1968! Der ist allerdings in keinem guten Zustand mehr und Lukas musste schon ein paar mal mit Hammer und Dichtmaterial ran, um ihn erstens überhaupt anständig zuzubekommen und zweitens das Tropfen zu stoppen. Mit etwas Geduld und ein paar Kniffen haben wir also nun zwei brauchbare Kanister...

Die Fahrt über die südliche Route, die über Boyson führt, war echt atemberaubend. Zuerst gings von Samarkand nach Süden über von Serpentinen durchzogene Ausläufer des Arian Shan Gebirges, die mit ihrem grünen Bäumen und kleinen Bächlein den Staub der Ebene vergessen machen. sobald man die relativ kurze Bergetappe aber hinter sich hat, erobert der Staub die Landschaft zurück. Gute 300km der Südroute sind Steppe, Sand und Staub. Man sieht wenig Vegetation, Schafherden Stein, Geröll und Staubwolken am Horizont. Die Etappe vor und hinter Boyson ist nochmal eine Bergetappe und mit ihren Felsformationen und der Straßenführung spektakulär. Das weiß anscheinend auch die lokale Polizei und das usbekische Militär und hat mit ihren zahlreichen Checkpoints in der Gegend (vl. wegen der Grenze zu Afghanistan im Süden?? - das ist allerdings noch mindestens 180km weit weg) eine Menge an Arbeitsplätzen mit guter Aussicht aber in brütender Hitze geschaffen. Unsere Daten sind dadurch mittlerweile in vielen karierten Notizblöcken verzeichnet. Aber alle sind sie nett und freundlich und wollen meistens tratschen.
Mittlerweile sind wir auch in Gegenden unterwegs, wo gar keine Touristen mehr zu sehen sind, weshalb jeder Stopp eine Horde von Locals anlockt, die freundlich fragen woher wir sind und was wir hier machen. Es gibt immer viel Handschütteln, Glückwünsche und Autobeschriften. Alles sehr nett.

Nachdem sich andere Rallyteams klarererweise auch auf die Nord- oder Südroute aufteilen müssen, haben wir nicht weit hinter Samarkand nach ein paar Tagen wieder die ersten Teams on the road gesehen. Sich zu treffen ist immer spannend. Obwohl man immer wieder neue Gesichter trifft, kennt man mittlerweile viele der anderen Teams und man tauscht die letzten News aus: wie man mit Straßenkontrollen und Polizeicheckpoints umgeht, Infos über die Route voraus, Grenzwartezeiten, Pannen von anderen oder eigene Erlebnisse - zum Plaudern gibt es immer genug. Wenn man dann endlich wieder weiterfährt gibts immer kurze Konvois, die sich meistens nach und nach wieder auflösen. Im Endeffekt hat doch jeder seine eigene Geschwindigkeit und man trifft sich ohnehin wieder entlang der Strecke.

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Papa (Donnerstag, 17 August 2017 12:28)

    einfach nur toll und faszinierend

  • #2

    Gerald+Evi (Montag, 21 August 2017 14:07)

    100 Punkte fürs Touri Foto mit den Hüten! :D

  • #3

    CoBold (Sonntag, 27 August 2017 15:36)

    großartige Fotos!!! man hat fast das Gefühl dass man mit euch unterwegs ist...